Sylvia’s Geschichte: Teil 4
Im ersten Teil habe ich in Stichpunkten mein Leben erzählt und im zweiten Teil meine Geschichte ausführlich und wie ich zu Reiki kam. Der 3. Teil beschreibt den Aufbau der Zen-Reiki-Internetschule und meine Entwicklung in dieser Zeit. In diesem Teil möchte ich über die Zeit nach 2018 schreiben, die großen Veränderungen in meinem Leben durch Jobausstieg, Pflege meiner demenzkranken Mama und den Ausstieg aus meiner Ehe. Im letzten Teil erzähle ich etwas über meine Seelenfrau Dani und den Aufbau unserer Heilerpraxis in Gerwisch.
2018 bis 2020: Umbruch bei Zen-Reiki
Die Neugestaltung der Seite hat nicht nur Freude gemacht. Nicht jeder der Lehrer war bereit, auf die liebgewonnene Schülerverwaltung zu verzichten und sich auf Neues einzulassen. Was all die Jahre kostenlos war, sollte auf einmal eine Kostenbeteiligung erforderlich machen für Server und Entwicklung. Also mehr bezahlen für weniger Leistung als vorher? Sich auch noch an der Entwicklung der Seite mit eigenen Beiträgen zu beteiligen? Nein, lieber doch nicht.
Ihr kennt das alle, eine Krise kommt selten allein. Hatte ich mir vorher immer soviel auf unsere Lehrerfamilie eingebildet, auf all die Harmonie, die wir scheinbar hatten, zeigte sich jetzt, dass es bei einigen schon länger nicht mehr so stimmig war, unterschwellige Konflikte kamen hoch. Hinzu kam meine enge Verbindung zu Dani, die ja eine neue war und sich noch gar keine Sonderrechte in der Schule verdient hatte, so das Gefühl von einigen alten Hasen.
Machen wir es kurz, das sonst immer stattfindende Lehrertreffen wurde 2018 abgesagt, vom großen Lehrerring blieben nur noch 3 Lehrer übrig. Nachzulesen ist das bei Interesse in unseren Jahrbücher 2018, 2019-Teil 1 und 2019 Teil 2.
Neues Lernsystem für Zen-Reiki-Schüler und Aufnahmestopp
Die Zeit verändert die Menschen, die Medien tun den Rest. Heute sind Menschen eher sprunghaft, es gibt ein Überangebot von Informationen und Möglichkeiten, da wird das eine und andere mal schnell ausprobiert und ebenso schnell wieder fallengelassen. Da schreibt man in Zeiten von Whatsapp, Telegram und Facebook nicht mehr in einem Forum. Da bewirbt man sich heute zum Reiki-Lernen und möchte morgen dann doch lieber Yoga machen. Noch dazu, wenn es kostenlos ist und scheinbar keinerlei Verpflichtungen mit sich bringt.
Um dem entgegenzuwirken, haben wir im Jahr 2020 ein neues Lernsystem für die Schüler etabliert, die dann erst eine Starterphase durchlaufen mussten, bevor sie einen Termin für deine Weihe bekommen haben. Wir wollten damit mehr Ernsthaftigkeit in das Lernen hineinbringen. Und? Hat es geklappt? Natürlich nicht. Also haben wir es in der Folgezeit auch wieder fallengelassen.
Fazit: Man kann andere Menschen nicht verändern in ihrem Verhalten, man kann nur selbst andere Entscheidungen treffen. Vielleicht sind 20 Jahre Zen-Reiki genug gewesen und es wird Zeit für Neues?
45 Arbeitsjahre beendet
2019 habe ich meine 45 Arbeitsjahre vollendet und bin aus der Uni ausgeschieden. Ich schrieb ja bereits, dass ich die Jahre davor zur Pflege meiner demenzkranken Mama bereits eine Altersteilzeit aufgenommen hatte und mich in den letzten 2 Jahren schrittweise von Verantwortung und Wichtigkeit gelöst hatte. So war die letzte Etappe auch noch von eher unschönen Erlebnissen begleitet, sodass das endgültige Aufhören eher befreiend als belastend war.
Wer bist du ohne deinen Job, ohne die Kollegen, ohne die gemeinsam zu erledigenden Aufgaben? Was machst du mit deiner freien Zeit? Heute, morgen, in 10 Jahren, in 30 Jahren? Wofür lebst du? Was lässt dich jeden Morgen aufstehen und mit Freude in den Tag starten? Wo willst du hin, was willst du dir und der Welt noch geben?
Wahrscheinlich stellen sich die meisten Menschen am Ende ihres Arbeitslebens genau diese Fragen und in Ermangelung eigener Ziele sind sie froh, wenn ihnen andere Menschen Ziele vorgeben und sie irgendwie das Gefühl haben, doch noch nützlich zu sein. Sei es in der Familie, bei den Enkeln oder in einem Verein.
Mir war das allein zu wenig. Schon gar nicht wollte ich weiterhin meine Rollen spielen, immer nur für andere da sein und mich nie fragen, was mich glücklich macht. Ich wollte die eigene Verantwortung für mein Leben haben, mich ständig verändern, neu entscheiden, scheitern und wieder aufstehen.
Falls es Ihnen auch so geht, dann halten Sie bitte einen Moment inne. Denn so romantisch, wie sich das hier liest, ist es nicht. Machen Sie sich auf die volle Breitseite des Unverständnisses gefasst und fragen Sie sich vorher, ob Sie stark genug sind. Es kann sein, dass der größte Teil der vertrauten Menschen mit viel Unverständnis reagiert und sich abwendet. Sie sind egoistisch und durchgeknallt. Sie stehen eventuell vollkommen allein da. Haben Sie diesen Mut?
Mama pflegen
Meine Mama war ein ganz besonderer Mensch und hat ihre Rollen immer perfekt gespielt. Ihr Leben war die Arbeit und das Dasein für andere. Sie wollte ihren 90. Geburtstag schon nicht mehr feiern, zu der Zeit hatte sie schon Demenz, auch wenn keiner von uns das anfangs wahrhaben wollte. Ich erinnere mich noch an einen Krankenhausaufenthalt, wo ein Pfleger meinte, die Verrückte aus Zimmer 3. Ich war empört. Meine Mama ist nicht verrückt. Vaskuläre Demenz ist noch nicht die schlimmste, wird aber über die Jahre auch zunehmend zum Problem. Waren die ersten 3 Jahre noch ganz gut zu meistern, wenn auch Suizid und Sterbehilfe bei fast jedem Spaziergang Diskussionsthema waren, wurde es zum Ende hin immer schwieriger. Die Angst, dass wir es nicht schaffen und sie am Ende in ein Heim muss, wurde in klaren Momenten immer präsenter. Auch wenn sich ein Demenzkranker ja zum Glück an vieles nicht erinnern kann, Bruchstücke kommen doch hoch und schon die machen dem Betroffenen Angst. Es ist schlimm, was diese Krankheit aus Menschen macht, wie sich schrittweise die Persönlichkeit auflöst. Und schlimm auch für die Angehörigen, die diese Menschen ja lieben, ihnen aber nicht wirklich helfen können.
Wer mit einem Demenzkranken zusammenlebt, weiß, wovon ich spreche. Für die Besucher werden, so gut es geht, die alten Rollen gespielt. Da sieht das alles nicht so schlimm aus. Der gemeinsame Alltag hingegen, über viele Jahre erlebt, eine echte Herausforderung. Mama hat ihr Leben im Dezember 2021 vollendet und ist fast 96 geworden.
Eheausstieg nach 46 gemeinsamen Jahren
Bis, dass der Tod euch scheidet? Oder scheidet die meisten nicht eher das Leben, aber sie nehmen es so hin und hinterfragen es nicht. Hinterfragen war schon immer meins. Geht es mir gut, bin ich glücklich, was brauche ich, damit ich mich wohlfühle? Aber auch ich habe jahrelang nichts hinterfragt und die Dinge so laufen lassen, wie sie eben waren, manches mit Freude, anderes mit Zähneknirschen und wieder anderes mit Traurigkeit und Resignation.
Für die meisten Paare ist das aus dem Haus gehen der Kinder schon die erste Zäsur, der einen Teil des gemeinsamen Lebenssinns wegbrechen lässt. Und die nächste ist der Jobausstieg, auf einmal verbringt man nicht nur das Wochenende, den Urlaub, sondern fast 100% der Zeit zusammen. Reicht dafür die Basis aus, die euch nach all den Jahren noch geblieben ist? Schafft ihr es, neue, gemeinsame Ziele zu finden? Wir haben es nicht geschafft.
Besser bekanntes Unglück als unbekanntes Glück?
Wann bin ich glücklich? Wenn ich wachsen darf, wenn es Veränderungen gibt. Wenn ich spontan sein darf, gute Gespräche habe, mich verbunden fühle. Ich möchte angenommen sein, wie ich bin, gesehen werden, für das, was ich tue und keine Selbstverständlichkeit für andere Menschen sein. Und schließlich, wenn ich in meiner Energie bin und diese ausleben darf. Ich mag es, wenn die Dinge um mich herum effizient und geordnet sind. Ich kann mich gut von Dinge trennen, die ich nicht mehr brauche und für die mir spontan auch keine Verwendung in naher Zukunft einfällt. Minimalismus macht das Leben bestimmt einfacher, auch wenn ich davon weit entfernt bin. Für jedes neue Kleidungsstück verschwindet zumindest eins aus dem Kleiderschrank, das hatte ich mir über die Jahre schon angewöhnt. Aber war ich nun bereit, alles aufzugeben und einfach zu gehen? Das Haus, das wir zusammen gebaut und eingerichtet hatten, all die selbst gepflanzten Bäume auf dem Grundstück?
Und wie es fast immer so ist, ein Schlüsselerlebnis, welches geschildert ziemlich banal klingt, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat und ich bin gegangen.
Zu der Zeit war die Praxis in Gerwisch in großen Teilen fertig, ich hatte ein Bett zum Schlafen, konnte Kaffee kochen und einfach für mich sein.
Dass Dani in der Nachbarwohnung wohnte, war nicht die Ursache für alles. Dani war für mich Katalysator, mehr aber auch nicht. Was zuerst nur eine Auszeit war, wie ich sie in den letzten 2 Jahren mehrfach hatte, reifte in den nächsten 4 Monaten zur Entscheidung, dass es endgültig war und dass ich nicht zurückgehen werde. Unabhängig davon, wie sich meine Beziehung mit Dani entwickelt.
Alles hat seinen Preis
Da wir nach außen für viele das perfekte Ehepaar waren, gab es natürlich das entsprechende Unverständnis von allen Seiten. Besonders in der eigenen Familie. Auf einmal ist man egostisch. Aber interessanterweise halten das einem die Menschen vor, die Angst haben, dass sie nicht mehr in der gewohnten Weise profitieren können.
Angefangen bei meiner Mama, du kannst doch nicht gehen, was soll denn aus mir werden? Also sie beruhigen, dass sich für sie erst mal nichts ändert, sie weiter ihre Wohnung hat und wir uns weiter um sie kümmern werden. Das haben wir gemeinsam auch gut hinbekommen, dafür bin ich meinem Mann sehr dankbar. Auch konnte meine Mama Dani mit der Zeit mehr ins Herz schließen und sie hat gesehen, wie gut sie mir tut.
Die Beziehung zu meinen liebsten Menschen hat es wirlich hart getroffen. Ich wurde bei gemeinsamen Familientreffen ausgeladen, meine Versuche zur Kontaktaufnahme oder für Gespräche wurden ignoriert.
Es ist das Spiel Täter-Opfer, die Rollenverteilung war klar. Es wird nicht miteinander geredet, sondern übereinander. Es werden keine Fragen gestellt, sondern nur eigene Bewertungen und Vermutungen verwendet.
Klar wünscht sich jeder eine heile Welt, nur leider kann man die nicht auf Dauer für die anderen schaffen, ohne sich selbst aufzugeben. Und das hatte ich viel zu lange getan.